Trigger

Wenn der Krieg nicht aufhört – Soldaten mit Posttraumatischen Belastungsstörungen

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Fotos: Jakob Ganslmeier

Text: Jakob Ganslmeier

Die Serie zeigt sieben Soldaten der Bundeswehr. Sie kommen aus ganz verschiedenen militärischen Bereichen – ein Elitesoldat, ein interkultureller Berater, eine Sanitäterin und ein Militärpfarrer sind darunter. Was diese Soldaten verbindet ist, dass sie, bedingt durch Kriegseinsätze im Ausland, an posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) erkrankt sind.

In Amerika wurde schon nach dem ersten Weltkrieg bei vielen Soldat_innen PTBS diagnostiziert; in England sprach man von »Shell Shock«, in Deutschland von »Kriegszittern«. Das erste Mal in der breiten Öffentlichkeit bekannt und auch in den Medien aufgearbeitet wurden posttraumatische Belastungsstörungen nach dem Vietnamkrieg. In Deutschland wurde die Krankheit bei Polizei, Rettungsdiensten und der Bundeswehr erstmalig nach den Unfällen während der Flugschau in Ramstein 1988 und dem Kosovo-Einsatz thematisiert. Während des Afghanistan-Einsatzes richtete die Bundeswehr auf Grundlage dieser Erfahrungen Traumazentren in Deutschland ein.
Der Alltag der Soldat_innen unterscheidet sich in vielem von dem, was man sich landläufig darunter vorstellt. Sie haben krankheitsbedingt ihr Leben extrem umgestellt. Die Soldat_innen haben ein sehr großes Bedürfnis nach Ruhe; Orte und Anlässe, bei denen sie viele Menschen antreffen könnten, werden gemieden – zum Beispiel Fußgängerzonen, öffentliche Verkehrsmittel, Einkaufszentren und Konzerte. Die Isolation, in die sie sich oft freiwillig begeben, ist zugleich Teil ihres Leidens. Die Welt in der sich die Soldat_innen bewegen, ist auf wenige Stationen reduziert: Wohnzimmer, Garten, Therapieinstitution, Kaserne, Übungseinsatz, bei manchen auch Sport.

Die Soldat_innen werden geplagt von Albträumen, in denen sie die traumatischen Erfahrungen und Bilder unwillkürlich wieder erleben. Die traumatischen Beschwerden können auch Jahre später noch plötzlich auftreten, ausgelöst durch oft ganz harmlose unvorhergesehene Ereignisse, sogenannte Trigger. Ganz alltägliche Geräusche, Gerüche oder der Anblick eines weißen Toyota Pick-up, eines in Afghanistan häufig verbreiteten Autos, können solche Flashbacks auslösen. Weitere Einschränkungen wie die Leistungsminderung des Kurzzeitgedächtnisses und der Konzentrationsfähigkeit kommen hinzu.
Die Soldat_innen sind unfähig, ihr alltägliches Umfeld mit den Erlebnissen aus dem Einsatz zu vereinbaren, die sich als unüberwindbare Hürden für die persönlichen Beziehungen und eine »normale« Kommunikation erweisen. Der Ursprung des Traumas lässt sich oft gar nicht konkret fassen. Es kann ein bestimmtes einschneidendes Erlebnis sein, aber auch die dauernde latente Gefahrensituation im Lager kann zu einer Traumatisierung führen.

Einer der Soldaten sagte, die erste traumatische Erfahrung würden ausländische Soldaten machen, wenn sie in Kabul aus dem Flieger steigen.

Die Folgen sind verheerend: Die Süddeutsche Zeitung berichtete kürzlich, dass es »mehr tote US-Soldaten durch Suizid als durch Kampfhandlungen« gebe und dass »häufig Erfahrungen im Krieg eine Rolle spielen, doch viele Opfer nicht an Kampfhandlungen beteiligt waren«. Vergleichbare Untersuchungen gibt es in Deutschland nicht, die Suizid-Thematik spielt jedoch auch hier im Zusammenhang mit PtBs eine Rolle.

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Die PtBs-Therapie ist langwierig und komplex. In der Ausbildung erlernte Verhaltensmuster erweisen sich zur Bewältigung der Kriegserlebnisse oft als unbrauchbar. Soldat_innen trainieren in ihrer Ausbildung das entschlossene Umsetzen von Vorgaben, Disziplin und das Unterdrücken von Angst und Gefühlen im Einsatz. Ziel ist immer, einwandfrei zu funktionieren. In diesem Sinne bedeutet PtBs auch, dass diese Verhaltensmuster gegenüber dem Unterbewusstsein versagen. Der therapeutische Weg ist es, die Ursache aufzuspüren und nach und nach aufzuarbeiten.

Die Bilder versuchen nicht, den Ursprung des Traumas zu finden, die Krankheit zu erklären oder den therapeutischen Weg fotografisch nachzuvollziehen. Was fotografiert wurde ist, wie sich die Krankheit zeigt und mit welchen visuellen Zeichen sie sich äußert. Posttraumatische Belastungsstörungen sind keine sichtbare Krankheit. Wir erkennen einen Soldat_innen mit PtBs nicht auf den ersten Blick. Der Krieg findet im Kopf statt.

Dazu entält diese Arbeit Bilder aus Kriegsgebieten. Es handelt sich um Fotos, die die Soldaten selbst zur Verügung gestellt haben. Diese Fotos zeigen gerade nicht das Leid und den Tod in Afghanistan. Es sind Erinnerungsbilder und Schnappschüsse, in denen sich die Soldaten in ihrem humanitären Einsatz darstellen, in militärischen Posen zeigen oder geradezu touristisch die Landschaft einfangen. Kleine fotografische Souvenirs aus einer desaströsen Welt.

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