Transnistria

Zwischen der Hauptstadt Tiraspol und der kleinen transnistrischen Ortschaft Kitskany westlich des Grenzflusses Dnjestr, unterstützt eine Fähre die Anbindung.

Fotos: Emile Ducke

In einer Zeit der politischen Zerrissenheit fotografiert Emile Ducke Transnistrien, ein Land, das in seiner Struktur stehen geblieben zu sein scheint. Einblicke in eine multiethnische Region zwischen den Grenzen.

Die separatistische Region im Osten der Republik Moldau entlang der Grenze zur Ukraine ist seit der Auflösung der UdSSR unruhig und steht unter Einfluss verschiedener Interessensgruppen. Die Hauptbevölkerungsgruppen setzen sich aus 31,9% Moldauern, 30,3% Russen und 28,9% Ukrainern zusammen.

Völkerrechtlich gehört Transnistrien zur Republik Moldau. Obwohl Transnistrien von keinem Staat als souverän anerkannt ist, verfügt es über eine eigene Regierung, Währung, Verwaltung und Militär.

Als die Sowjetunion zerfiel und die Nationalisierungsbestrebungen der einzelnen Teilrepubliken zunahmen, machte die moldauische Regierung in Chișinău Moldauisch zur alleinigen Amtssprache. Russland versuchte dagegen, die Einheit der Sowjetrepublik zu halten und unterstützte den wirtschaftlich starken Teil Moldaus, Transnistrien. Die größtenteils russischsprachige Bevölkerung Transnistriens fürchtete um den Verlust ihrer Rechte und einen verschärften moldauischen Nationalismus und bildete das De-Facto Regime Transnistrien (Eigenbezeichnung Pridnestrowie). Schließlich erklärte man sich von der Republik Moldau für unabhängig, der Fluss Dnjestr wurde zur Grenzlinie.

 

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Jugendliche vertreiben sich die Zeit auf einem Parkplatz in Sukleja. Seit der größte Betrieb des Ortes geschlossen wurde herrscht dort eine hohe Arbeitslosigkeit.

1992 eskalierte der Konflikt um Transnistrien. Moldauische Truppen versuchten die separatistische Region wieder unter ihre Kontrolle zu bringen. Erst als die russische Armee eingriff, konnte ein Waffenstillstand vereinbart werden. Seitdem ist der Konflikt eingefroren, aber nicht gelöst. Bis heute sind ca. 1400 russische Soldaten in Transnistrien stationiert. Die Region Transnistrien bildete durch seine Stahl- und Elektrizitätswerke das industrielle Rückgrat der moldauischen Sowjetrepublik. Diese standen nach dem Konflikt unter transnistrischer Kontrolle. Bis heute ist die Republik Moldau zu 85% abhängig von transnistrischem Strom. Dennoch ist Transnistrien nur durch finanzielle Unterstützung Russlands überlebensfähig. Bis zu 27 Millionen Dollar pro Jahr flossen aus Moskau nach Transnistrien. Der »eingefrorene« Konflikt ist für die Region fatal: Transnistrien ist verarmt und finanziell abhängig und die Republik Moldau hat sein industrielles Zentrum verloren. In Transnistrien sind viele Strukturen aus Sowjetzeiten erhalten geblieben. Der Geheimdienst heißt bis heute KGB und bildet zusammen mit Miliz und Militär das Fundament der transnistrischen Regierung. Hammer und Sichel zieren das Staatswappen. Sowjetische Feiertage wie der »Tag des Vaterlandsverteidigers« wurden auf die eigene Historie umgeschrieben und spielen auch im zivilen Leben eine große Rolle.

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Während in den meisten ehemaligen Ostblockstaaten Denkmäler aus Sowjetzeiten entfernt wurden, ist man in Transnistrien stolz auf die Relikte dieser Ära. Das Monument mit einer MiG zu Ehren der sowjetischen Flugzeugingenieure in der Hauptstadt Tiraspol wird weiter gepflegt.

Nach der Annexion der Krim durch die Russische Föderation wandte sich das transnistrische Parlament erneut mit einem Ersuchen um Aufnahme an Moskau. Bereits 2006 antworteten bei einem Referendum 97,1% der Bewohner Transnistriens auf die Frage, ob sie einen Beitritt zur Russischen Föderation unterstützten, mit »Ja«. Vorerst bleibt der Status quo der kleinen Republik jedoch bestehen – der Aufnahmeantrag wurde nicht beantwortet. Das stärkt die Theorie, dass Moskaus Strategie nicht vorrangig auf die Integration Transnistriens in die Föderation abzielt, sondern die Region zur Einflussnahme auf die gesamte ehemalige Moldauische Sowjetrepublik benötigt wird.
Transnistrien hat sein eigenes Überleben als Staat kaum selbst in der Hand und wird außenpolitisch gerne als »Spielball« Russlands bezeichnet. Am Transnistrien-Konflikt kann man sehen, was auf den Osten der Ukraine noch warten könnte. Die Ursachen ähneln sich, beide hängen mit dem Zerfall der Sowjetunion zusammen, beide sind abhängig von Russland und beide sind offiziell territorial ungeklärt.

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Frauen erneuern den Anstrich der Hauptbrücke Tiraspols vor dem Unabhängigkeitstag. Dieser wird stets am 2. September begangen und gilt als wichtigster Feiertag der jungen Republik.

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Stepanenko Nikolai sitzt im Veteranen-Klub Tiraspols bei einem Gesangswettbewerb und wartet bis seine Gruppe ›Tiras‹ an der Reihe ist.

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Zu Sowjetzeiten belieferte die Region die gesamte UdSSR mit Agrar-Produkten. Im Institut Dnjestr in Sukleja wurden verschiedene Anbauweisen erforscht und Saatgut produziert. Mit dem Zerfall der Sowjetunion ging der wichtigste Absatzmarkt verloren. Das Institut wurde geschlossen.

Blick auf Taschlyk, einem Ort im Rajon Grigoriopol. Während in Tiraspol der Anteil der Moldauer nur ca. 15% beträgt, liegt er hier bei über 60%.

Blick auf Taschlyk, einem Ort im Rajon Grigoriopol. Während in Tiraspol der Anteil der Moldauer nur ca. 15% beträgt, liegt er hier bei über 60%.

Zuschauer feuern bei einem Wettkampf verschiedene Einheiten der transnistrischen Armee an. In verschiedenen Disziplinen wie Staffellauf, Tauziehen und Zweikampf demonstriert die Armee im „Stadion der Republik“ ihre Stärke.

Zuschauer feuern bei einem Wettkampf verschiedene Einheiten der transnistrischen Armee an. In verschiedenen Disziplinen wie Staffellauf, Tauziehen und Zweikampf demonstriert die Armee im „Stadion der Republik“ ihre Stärke.

Ein Männerchor verlässt nach einem Gesangswettbewerb im Veteranenklub Tiraspols die Bühne.

Ein Männerchor verlässt nach einem Gesangswettbewerb im Veteranenklub Tiraspols die Bühne.

Jugendliche haben sich im Gemeindehaus von Kitskany einen kleinen Kraftraum eingerichtet. Sie treffen sich dort mehrmals in der Woche um gemeinsam zu Trainieren.

Jugendliche haben sich im Gemeindehaus von Kitskany einen kleinen Kraftraum eingerichtet. Sie treffen sich dort mehrmals in der Woche um gemeinsam zu Trainieren.

Garsanova Anna Mihailova wohnt zusammen mit ihrem Freund Ilin Sergej Viachiaslovich und dem gemeinsamen Sohn Aljoscha am Stadtrand von Tiraspol. Die Familie lebt von dem, was Ilin als Tagelöhner auf den Friedhöfen verdient.

Garsanova Anna Mihailova wohnt zusammen mit ihrem Freund Ilin Sergej Viachiaslovich und dem gemeinsamen Sohn Aljoscha am Stadtrand von Tiraspol. Die Familie lebt von dem, was Ilin als Tagelöhner auf den Friedhöfen verdient.

Angler am Grenzfluss Dnjestr in der Nähe der Stadt Grigoriopol. In der Gegend um die Verwaltungshauptstadt des gleichnamigen Rajons wohnen über 60% Moldauer, in der transnistrischen Hauptstadt sind es hingegen nur ca. 15%.

Angler am Grenzfluss Dnjestr in der Nähe der Stadt Grigoriopol. In der Gegend um die Verwaltungshauptstadt des gleichnamigen Rajons wohnen über 60% Moldauer, in der transnistrischen Hauptstadt sind es hingegen
nur ca. 15%.

Die oppositionelle Bewegung »Einheit des Volkes« rief am 28. Februar 2015 zu einer Demonstration gegen die vorangegangen Kürzungen von Renten- und Sozialleistungen auf.

Die oppositionelle Bewegung »Einheit des Volkes« rief am 28. Februar 2015 zu einer Demonstration gegen die vorangegangen Kürzungen von Renten- und Sozialleistungen auf.

Das erste Ensemble Transnistriens namens „Tscherjomucha“ (Traubenkirsche) erschöpft nach dem Auftritt hinter der Bühne. In ihrem Repertoire sind Lieder wie „Russland - Meine Heimat“ und „In Transnistrien sind Feiertage“.

Das erste Ensemble Transnistriens namens „Tscherjomucha“ (Traubenkirsche) erschöpft nach dem Auftritt hinter der Bühne. In ihrem Repertoire sind Lieder wie „Russland – Meine Heimat“ und „In Transnistrien sind Feiertage“.

Blick in den großen Saal des Kulturhauses von Kitskany.

Blick in den großen Saal des Kulturhauses von Kitskany.

Mitglieder einer Paradeeinheit warten vor dem transnistrischen Parlamentsgebäude, das ›Oberster Sowjet‹ genannt wird, auf weitere Kameraden.

Mitglieder einer Paradeeinheit warten vor dem transnistrischen Parlamentsgebäude, das ›Oberster Sowjet‹ genannt wird, auf weitere Kameraden.

Igor, Ira und Anatoli haben sich an den Stadtrand von Dubossary zurückgezogen, um im Auto von Anatolis Eltern Filme zuschauen. Das Wasserkraftwerk im Hintergrund besitzt hohe strategische Bedeutung für Transnistrien, die heutige Grenzlinie verläuft nur knapp dahinter.

Igor, Ira und Anatoli haben sich an den Stadtrand von Dubossary zurückgezogen, um im Auto von Anatolis Eltern Filme zuschauen. Das Wasserkraftwerk im Hintergrund besitzt hohe strategische Bedeutung für Transnistrien, die heutige Grenzlinie verläuft nur knapp dahinter.

Ion Iovsev ist Direktor am Lyzeum Lucian Blaga. An der Schule wird Moldawisch in lateinischer Schrift unterrichtet, was den transnistrischen Obrigkeiten missfällt. 2004 zerstörte ein Schlägertrupp des KGB die gesamte Einrichtung. Heute sind die Einschüchterungsmethoden nicht weniger, aber subtiler geworden – so werden doppelt so hohe Abgaben verlangt und Teile des Lehrerkollegiums willkürlichen Verhören unterzogen.

Ion Iovsev ist Direktor am Lyzeum Lucian Blaga. An der Schule wird Moldawisch in lateinischer Schrift unterrichtet, was den transnistrischen Obrigkeiten missfällt. 2004 zerstörte ein Schlägertrupp des KGB die gesamte Einrichtung. Heute sind die Einschüchterungsmethoden nicht weniger, aber subtiler geworden – so werden doppelt so hohe Abgaben verlangt und Teile des Lehrerkollegiums willkürlichen Verhören unterzogen.

Ein Kind balanciert auf einer Schleuse am Stadtrand von Tiraspol, der Hauptstadt Transnistriens.

Ein Kind balanciert auf einer Schleuse am Stadtrand von Tiraspol, der Hauptstadt Transnistriens.

Verschiedene Einheiten des transnistrischen Militärs treten in einem Wettbewerb im „Stadion der Republik“ gegeneinander an.

Verschiedene Einheiten des transnistrischen Militärs treten in einem Wettbewerb im „Stadion der Republik“ gegeneinander an.

Soldaten auf dem Rückweg zu ihrer Kaserne nach den Feierlichkeiten zum „Tag des Vaterlandverteidigers“.

Soldaten auf dem Rückweg zu ihrer Kaserne nach den Feierlichkeiten zum „Tag des Vaterlandverteidigers“.

Am „Tag des Vaterlandverteidigers“ werden die Angehörigen der Armee gefeiert. Zwei junge Sängerinnen geben ein Konzert zu Ehren der Veteranen, die in der ersten Reihe platz genommen haben.

Am „Tag des Vaterlandverteidigers“ werden die Angehörigen der Armee gefeiert. Zwei junge Sängerinnen geben ein Konzert zu Ehren der Veteranen, die in der ersten Reihe platz genommen haben.