Peit tii bey

Frederic Schmidt

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Peit tii bey heißt auf Khmer, der Amtssprache Kambodschas, das dritte Geschlecht. Es bezeichnet all diejenigen, die sich in ihrer eigenen Geschlechtsidentität nicht mit den klassischen Geschlechterrollen identifizieren können. Der Fotograf Frederic Schmidt hat diese Menschen in Kambodscha aufgesucht, sie portraitiert und ihnen zugehört – während sie ihn in ihre Welt als Ladyboys blicken ließen.

Die Akzeptanz für die LGBT (Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender) in der Mitte der westlichen Gesellschaft schreitet immer mehr voran. Das im Juni 2015 verabschiedete Gesetz zur Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe in den Vereinigten Staaten war einer der letzten Höhepunkte. Von solchen histori­schen Siegeszügen ist die LGBT Gemeinschaft in Kambodscha noch weit entfernt. Zu tief sitzen die Wurzeln traditionellen Den­kens in den Köpfen der kambodschanischen Bevölkerung, die das Ausleben sexueller Orientierungsfreiheit oftmals als Schande für Familie und Staat abstempelt.

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Die Menschen Kambodschas führen seit Jahrhunderten kein leichtes Leben. Das bis zum 15. Jahrhundert kulturell als auch wirtschaftlich betrachtet sehr reiche Land hat sich bis heute noch nicht von den tragischen Ereignissen der Vergangenheit er­holt. Nachdem Kambodscha nach tiefgreifender Unterdrückung die Unabhängigkeit von Frankreich erlangte, folgten jahrzehnte­lange Bürgerkriege. Der Vietnamkrieg als auch die Diktatur und der Genozid durch die Roten Khmer in den 1970er Jahren ließen das Königreich wirtschaftlich regelrecht zerfallen.
Die Armut im Land warf auch einen großen Schatten auf Bil­dung und Kultur. Die Bevölkerung, die sich zum größten Teil im ländlichen Raum angesiedelt hat, ist geprägt von Traditionalis­mus und Skepsis gegenüber nonkonformistischem Denken. Nicht zufällig konzentriert sich die Szene der LGBT daher in den Groß­städten, vor allem in der Hauptstadt Phnom Penh. Hier erhoffen sich die LGBT mehr Akzeptanz als in den ländlichen Gebieten; nicht selten sind sie der eigenen Familie vom Land entflohen, um in Phnom Penh eine Möglichkeit zu finden als Ladyboy zu leben.

Spricht man von Ladyboys, kommt man selten um das Thema Prostitution herum. Die Mehrzahl der Ladyboys arbeiten tatsäch­lich als Prostituierte mangels alternativer Möglichkeiten Geld zu verdienen. Da viele von ihrer Familie verstoßen werden und kei­ne Unterstützung erwarten können, landen sie oftmals auf der Straße. Doch spätestens hier beginnt der Teufelskreis, der ihnen das Leben so schwer macht: denn Prostitution ist in Kambodscha allgegenwärtig – und vor allem illegal.

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Auch wenn das buddhistisch geprägte Land keine Anti-Tradi­tionen gegenüber LGBT kennt und etwa Homosexualität an sich keine Straftat ist, werden Ladyboys sozial ausgegrenzt. Der Ruf der Prostitution trägt ihren erheblichen Teil dazu bei. Problema­tisch ist auch, dass ein Ladyboy die Familienlinie selten weiter­führen kann. Das kambodschanische Sozialsystem besteht darin, dass die Nachkommen die alternden Familienmitglieder versor­gen, was zusätzlichen Druck insbesondere auf die Männer ausübt.

Nicht nur im Privaten werden Ladyboys stigmatisiert. In der Öffentlichkeit werden sie immer wieder misshandelt. Die Polizei geht gegen Ladyboys mit überdurchschnittlicher Härte vor, was in einem Land, in dem Menschenrechtsverletzungen auf der Ta­gesordnung stehen, nicht verwundert. Dass allein der Kondom­besitz als Beweis für Prostitutionsausübung reicht, veranlasst viele Ladyboys erst gar keine zu verwenden, was die große HIV-Problematik zusätzlich verschärft.

Selbst als 2004 der damalige König Norodom Sihanouk öffent­lich mit der Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe sym­pathisierte und äußerte, dass alle Menschen, unabhängig ihrer sexuellen Orientierung, vor Gott gleichgestellt sind, setzten kei­ne gesellschaftlichen Veränderungen ein noch wurde ein Gesetz dafür verabschiedet. Der Kampf der Ladyboys für persönliche Freiheit und Akzeptanz scheint noch ein langer zu sein.

Fotograf: Frederic Schmidt, Text Prolog: Dieu-Thanh Hoang

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